Wie durch Zeitwohnen die Mietpreisbremse umgangen wird
Im Spätsommer 2016, ca. ein Jahr nach Einführung der Mietpreisbremse, ging ein Aufschrei durch die deutsche Presselandschaft. „Zeit“, „Süddeutsche“, „Handelsblatt“ u.a. hatten überraschenderweise entdeckt, dass die Macher der Mietpreisbremse ausgetrickst worden waren. Die Kombination aus möblierter Vermietung und Wohnen auf Zeit hatte manchen Vermietern unverhofft ein Geschäftsmodell eröffnet, mit dem sie ihre Mieterträge schwindelerregend steigern konnten. Zweieinhalb Jahre später kann konstatiert werden, dass der Vermietungsmarkt in den Metropolen „gekippt“ ist. Eine Stichprobe auf Immoscout24 im Mai 2018 ergibt folgendes Bild: in Köln sind mittlerweile 55% aller auf dem freien Vermietungsmarkt angebotenen Wohnungen Zeitwohnobjekte, in Hamburg und Berlin sind es ca. 50%, in München 45% und in Bonn immerhin noch 38%. Unangefochtener Spitzenreiter ist aber unsere Landeshauptstadt Düsseldorf, hier werden 62% des gesamten Wohnungsangebots nur noch möbliert unter „Wohnen auf Zeit“ angeboten. In Münster hingegen, der beschaulichen Universitätsstadt, ist man da westfälisch konservativer. Hier werden noch 94% aller Angebote im klassischen Vermietungsmarkt platziert, Zeitwohnen spielt dort fast keine Rolle. Bei diesen Zahlen wurden „Ferienwohnungen“, die auf Portalen wie Airbnb angeboten werden, noch gar nicht eingerechnet. Würden diese zuaddiert, so würde die Zeitwohnquote noch einmal deutlich steigen. Bei Letzteren muss jedoch erwähnt werden, dass viele Städte durch Zweckentfremdungsverbote versucht haben, regulierend einzugreifen, ansonsten wäre die Anzahl frei verfügbarer Wohnungen noch einmal deutlich geringer.
Möblierten Wohnraum anzubieten ist kein neuer Trend. In der Vergangenheit wurden ebenfalls Aufschläge für eine Einbauküche oder eine Komplettmöblierung verlangt, nur beliefen sich diese auf ein paar Prozent. Eine kurze Stichprobe am Beispiel Köln zeigt jedoch, wie die Mietpreise hier komplett aus dem Ruder gelaufen sind. So findet man das kleine City-Apartment am Ebertplatz für 59,-€ pro m² (immerhin mit Sonnenterasse), zwei Euro weniger kostet ein in etwa gleich großes Apartment in der Innenstadt, dafür aber ohne Sonnenterrasse. Eine 2-Zimmer-Wohnung in der Altstadt hat leider auch keine Sonnenterrasse, dafür aber einen Aufzug, ein Luxus, der den m²-Preis von 78,-€ anscheinend rechtfertigt. Diese Beispiele sind sicherlich Ausreißer und am oberen Ende der Preisskala angesiedelt, es lässt sich jedoch feststellen, dass die m²-Preise durchschnittlich bei 20,- bis 30,-€ liegen. Auch wenn in der Regel inkl. Nebenkosten, liegen diese Mieten trotzdem um das Zwei- bis Dreifache über dem örtlichen Mietspiegel.
Auffallend ist, dass Zeitwohnangebote keinerlei Standards entsprechen oder ein geregeltes Preis-Leistungsverhältnis zu erkennen wäre. Man findet dunkle Höhlen mit einer Möblierung vom letzten Sperrmüll wie auch mit Designermöbeln ausgestattete Wohnungen inkl. Concierge-, Putz- und Wäscheservice, teilweise zu ähnlichen Mietpreisen. Es scheinen hier purer Wildwuchs und Goldgräberstimmung zu herrschen. Wer denkt, dass bei diesem Geschäftsmodell die „bösen Makler“ mal wieder ihre Finger im Spiel haben, der täuscht sich. Diverse Start-Ups haben frühzeitig den durch die Mietpreisbremse mitinitiierten Trend entdeckt und haben den Markt fast komplett im Griff. Klugerweise haben sie auch ihr Provisionsmodell angepasst. Der Vermieter zahlt für die Vermittlung nicht die üblichen zwei Kaltmieten, was bei einem Zeitwohnmodell auch schwerlich zu rechtfertigen wäre, sondern die Vermittlungsportale partizipieren prozentual am monatlichen Mietzins.
Wie hoch die Auslastungsquote der angebotenen Wohnungen tatsächlich ist, darüber kann nur spekuliert werden. Da die meisten Klienten in der Regel wahrscheinlich Geschäftsleute sind und die Kosten von den Firmen übernommen werden, müssten für einen Vergleich die durchschnittlichen Übernachtungskosten in einem Hotel zugrunde gelegt werden. Bei einem Übernachtungspreis von € 90,- betrüge ein monatlicher Hotelaufenthalt € 2.700,- (ohne Hotelrabatt), für die Hälfte dieses Betrags kann man da schon eine 50 m² große Wohnung monatlich mieten. Eigentlich sollten sich doch alle freuen: Geschäftsreisende oder Touristen finden eine Wohnung in privater Atmosphäre, Personalabteilungen freuen sich über sinkende Übernachtungskosten, der Vermieter erhält deutlich mehr als die ortsübliche Miete und das Startup als Vermittler streicht üppige Provisionen ein. Verlierer sind die Menschen, die sich durch die weitere Wohnraumverknappung durch Zeitwohnangebote keine bezahlbaren Wohnungen mehr leisten können. Anstatt – wie die neue Bundesregierung es wohl plant – Vermieter qua Zwangsmaßnahmen zur Offenlegung vorheriger Mietverträge zu zwingen, sollte an der Schraube des Zeitwohnens gedreht werden. Auch wenn davon in den zwanzig größten Städten nur ca. 13.000 Wohnungen betroffen sind, wäre dies zumindest ein Anfang.
Ranking | Städte | Anteil Zeitwohnen |
1 | Düsseldorf | 62% |
2 | Stuttgart | 55% |
3 | Köln | 54% |
4 | Berlin | 50% |
4 | Hamburg | 50% |
6 | München | 45% |
7 | Frankfurt/M. | 41% |
8 | Bonn | 38% |
9 | Hannover | 36% |
10 | Essen | 33% |
11 | Nürnberg | 30% |
12 | Bremen | 27% |
13 | Bochum | 18% |
13 | Bielefeld | 18% |
15 | Dortmund | 16% |
16 | Wuppertal | 11% |
17 | Duisburg | 8% |
18 | Dresden | 7% |
19 | Leipzig | 6% |
19 | Münster | 6% |
Angebote Immocout Mai 2018 |